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Vom Molotow-Cocktail zum Espresso Martini

Aufgrund des Krieges musste er seine Heimat Dnipro verlassen. Jetzt trainiert der zweifache ukrainische Coffee-in-Good-Spirits-Champion Vladyslav Demonenko in der Röststätte für die Weltmeisterschaft in Mailand. Dabei war seine Teilnahme gefährdet, ihm fehlte ein Trainingsort mit dem nötigen Equipment, Kaffee und Spirituosen. Wir organisieren ein Charity-Event, um Vlad zu unterstützen.
Vladyslav Demonenko wiegt den Guji Jasper ab, mahlt ihn und packt ihn in die AeroPress. Auf dem langen Holztisch in unserer Barista-Academy befinden sich Cocktail-Shaker, Messbecher, Eiswürfel und ein Cocktail-Löffel. Daneben stehen zwei Gläser, Vanille, verschiedene Bitter-Sorten, Zuckersirup, Agaven-Dicksaft, Himbeer-Likör, Likör 43 und weitere Spirituosen. „Es geht darum, die richtigen Zutaten mit dem Kaffee zu verbinden, um meine Drinks für den Wettbewerb zu finden“, sagt Vlad. Zwischendurch schlürft er manchmal, gießt ein, zwei Tropfen Likör dazu und probiert anschließend wieder. Abschließend gibt er alles in den Shaker und schüttelt ordentlich. Die Handgriffe sitzen, man merkt, dass er sein Handwerk versteht. „Es bleibt sehr wenig Zeit bis zum Wettkampf“, sagt Vlad.

Mehrfacher Champion der Ukraine

Vlad ist kein Unbekannter in der Kaffee-Szene. Der Q-Grader (das ist die Elite der Kaffeekenner, das Q-Grader-Programm des Coffee Quality Institutes ist weltweit die renommierteste Kaffee-Sensorik-Ausbildung) und studierte Mediziner war bis Kriegsbeginn Head Barista von „Funt Coffee Dnipro“, eine Spezialitätenrösterei, die sich vor allem auf Batch Brew spezialisiert hat. Dort kümmerte er sich um die Beschaffung von Kaffee, Qualitätskontrolle und Kaffeemanagement. Zudem ist der 26-Jährige zweifacher ukrainischer Champion in Coffee in Good Spirits (2019 und 2021). Bei den World Coffee in Good Spirits Championships 2019 in Berlin belegte er den siebten Platz. Im Jahr 2018 hat er den Alternative-Cup-Tasting-Wettbewerb in der Ukraine gewonnen. Als Barista erreichte er im Jahr 2018 den 5. Platz in der Ukraine.

Vlad arbeitet seit 2016 mit viel Ehrgeiz als Barista. Mit der Zeit wuchsen seine Skills, er nahm an nationalen und internationalen Meisterschaften teil und besuchte einige Kaffee-Ursprungsländer in Afrika und Zentralamerika. Zeitgleich hat er angefangen mit Kaffee und Alkohol zu experimentieren. „Als ich von den World Coffee in Good Spirits Championships erfuhr, wollte ich unbedingt teilnehmen“, sagt Vlad. Aber warum arbeitet ein ausgebildeter Arzt als Barista? „Als Barista fühle ich mich freier als in der Medizin, es war für mich interessanter mich zu entwickeln“, sagt Vlad. Zudem liebt er die Kaffee-Community und seine Leute. „Aber vielleicht kehre ich eines Tages zur Medizin zurück.“

Coffee in Good Spirits: Die Weltmeisterschaft in Mailand

Die World Coffee in Good Spirits Championship findet in Kürze, vom 23. bis 25. Juni in Mailand statt. Zirka 30 nationale Champions präsentieren innovative Getränkerezepte, die Kaffee und Spirituosen in einem Wettbewerbsformat vereinen. Im Wettbewerb sind die Mixology-Fähigkeiten der Barista gefragt, vom traditionellen Irish Coffee bis zu einzigartigen Cocktailkombinationen. In der Vorrunde müssen die Wettbewerber zwei Mixgetränke auf Kaffee- und Alkoholbasis kreieren. Anschließend folgt die Bühnenpräsentation: Dabei müssen alle Teilnehmer jeweils zwei heiße und zwei kalte Mixgetränke auf Kaffee- und Alkoholbasis präsentieren. Im anschließenden Finale werden die besten sechs Teilnehmer zwei Irish Coffees und zwei Mixgetränke auf Kaffee- und Alkoholbasis zubereiten. Der Teilnehmer mit der höchsten Punktzahl in der Endrunde wird zum World Coffee in Good Spirits Champion ernannt.
Die World of Coffee ist die wichtigste und größte Tradeshow im Bereich Specialty Coffee. Während der Messe werden auch die Weltmeisterschaften verschiedener Disziplinen der Specialty Coffee Association ausgetragen: Barista, Latte Art, Cup Tasters, Cezve/Ibrik, Rösten und eben Coffee in Good Spirits. Ursprünglich sollte die World Coffee Championship in Warschau stattfinden. Aber der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat tausende Ukrainer ins polnische Exil gezwungen. Auch das PTAK-Tagungszentrum, der eigentlich geplante Austragungsort, wurde zur Unterkunft für ukrainische Flüchtlinge. Die Veranstaltung in Mailand dient einem guten Zweck: Sämtliche Einkünfte aus den Ticketverkäufen für die World Coffee Championships gehen an das ukrainische Kaffee-Business und Coffee-Professionals.
„Mein Ziel ist das Finale. Aber ich mache mir keinen Stress, davon hatte ich in der Ukraine genug.“
Vladyslav Demonenko, Coffee in Good Spirits Champion der Ukraine und Coffee-Professional

Im Cocktail-Labor

Zurück in der Röststätte: Es darf probiert werden, die Meinung von anderen ist dem 26-Jährigen sehr wichtig. Vlad serviert seine Signature-Drinks und berät sich mit Ivo, Yvonne und weiteren Röststätte-Mitarbeitern – über Geschmack, Aftertaste, Taste Balance und Textur. Für seine Drinks nutzt er unter anderem ein selbst hergestelltes Destillat aus Kirschblüten. Das hat er in der Bar Velvet in der Neuköllner Ganghoferstraße hergestellt, den Kontakt hat er von einer alten Bekannten. Zudem nutzt er einen – sehr intensiv riechenden – Spirit aus Bergamotte. In seiner Laufbahn hat er bereits über 50-60 Cocktails erfunden, allerdings nur für den Wettbewerb. „Meine Lieblingscocktails sind Klassiker – Irish Coffee und Espresso Martini“, erzählt Vlad.

Wie Vlad den Krieg erlebte

Dann zeigt Vlad Videos auf seinem Smartphone. Bombenalarm ist zu hören, während er durch seine Heimatstadt Dnipro läuft. Ein weiteres Video zeigt ihn in einem engen Keller zusammen mit etwa 20 Leuten. An den Kriegsbeginn am 24. Februar kann sich Vlad noch genau erinnern. „Ich bin aufgewacht, habe Explosionen gehört, habe nicht verstanden, was passiert“, sagt Vlad. Er dachte es sind Rennautos oder ähnliches – aber es waren Bomben. Das war um 4:30 Uhr morgens. „Meine Freunde haben mich angerufen und gesagt, dass der Krieg angefangen hat – ich konnte es erst nicht glauben.“ An dem Morgen hätte er eigentlich ein öffentliches Cupping gehabt. Stattdessen hat er die wichtigsten Sachen – Dokumente, warme Sachen und ein bisschen Essen – gepackt und ist losgefahren, zu einem Freund in die Wohnung.

„Ich habe auf dem Weg einen Haufen Leute gesehen, die auf der Flucht waren.“ Die Bahnhöfe waren überfüllt, an den Tankstellen stauten sich die Autos, erzählt Vlad. Um etwa 5:15 Uhr hat er eine Explosion am Himmel gesehen, eine Bombe ist am Flughafen explodiert, sehr nah an seinem Haus. Langsam realisierte Vlad, was geschah. „Wir haben ein paar Tage lang im Keller die Nachrichten verfolgt und abgewartet“, sagt Vlad. Dann ging es zu einem Freund auf die Datscha auf dem Land. Doch auch dort fühlten sie sich nicht sicher. Vlad erzählt, wie er mit seinen Freunden im Drei-Stunden-Takt abwechselnd Wache gehalten hat.
„Wir haben jeden Tag gebetet, dass wir den nächsten Tag erleben.“
Vladyslav Demonenko, Coffee in Good Spirits Champion der Ukraine und Coffee-Professional

Kaffee und Molotow-Cocktails

Schließlich entschieden sich Vlad und seine Freunde, zurück in die Stadt Dnipro zu fahren, um in Freiwilligenzentren zu helfen. „Es war zu dieser Zeit sehr kalt und windig“, erinnert sich der Ukrainer. Er hat zusammen mit seinen Freunden Batch Brew für alte Leute gemacht, um sie zu wärmen. Zusammen mit Kindern und Rentnern haben die jungen Ukrainer Molotow-Cocktails vorbereitet, die anschließend an die Armee geliefert wurden. Mit dem Auto fuhr Vlad zudem regelmäßig raus in die Stadt, um nach Medikamenten und Lebensmitteln zu suchen. Es war gefährlich, bei Bombenalarm musste er sofort anhalten und sich hinter seinem Auto schützen.

Nach der Arbeit im Freiwilligenzentrum hat der studierte Mediziner drei Wochen lang als Krankenpfleger im Krankenhaus gearbeitet. Er hat beim Krankentransport geholfen, sich um Verletzte gekümmert und Spritzen gegeben. Es war eine schwierige Zeit für den jungen Coffee-Professional. „Ich bin nachts 5-6 Mal wach geworden, konnte wochenlang kaum schlafen“, sagt der 26-Jährige. „Wir haben jeden Tag gebetet, dass wir den nächsten Tag erleben.“ Auch dass alle Kaffeeläden geschlossen waren und er nicht arbeiten konnte, hat langfristig an seinen Nerven gezerrt.

Flucht nach Berlin

Nach zirka zwei Monaten Krieg in der Ukraine entschied Vlad, das Land zusammen mit seinen zwei Brüdern (9 und 17 Jahre alt) zu verlassen. Über Lwiw. Warschau und Gdansk kam er Anfang Mai nach Berlin. In Neukölln wohnt er seitdem bei befreundeten Tattoo-Artists, die er aus Charkiw kennt. Vlad ist vom Wehrdienst befreit, nur deswegen konnte er das Land verlassen. Normalerweise ist die Ausreise für Männer zwischen 18 und 60 Jahren verboten. Obwohl er zur Armee wollte, um seine Heimat zu verteidigen. „Ich wollte die Ukraine nicht verlassen“, sagt Vlad. Er wohnte schließlich in einer schönen Wohngegend in Dnipro, nahe an Familie, Freunden und Arbeit.

Kontakt zur Röststätte

Als Vlad in Berlin ankam, kontaktierte er unsere Kollegin Nicole Battefeld-Montgomery. Er kennt sie von der World Coffee in Good Spirits Championship 2019 in Berlin. Vlad hat Nicole via Instagram getextet und gefragt, ob sie ihm helfen kann, sich auf den Wettbewerb vorzubereiten. Schließlich fehlte es ihm an Kaffee-Equipment, an Spirituosen und an einem Ort mit viel Platz zum Trainieren. Die Specialty Coffee Association Ukraine bezahlt zwar Flug und Hotel in Mailand, nicht aber die Ausgaben für die Vorbereitung auf den Wettbewerb. Dann stellte Nicole den Kontakt zur Röststätte her. Yvonne und Ivo überlegten nicht lange und entschieden den 26-jährigen Ukraine-Champion zu unterstützten. Seit dem 31. Mai trainiert er täglich in unserer Barista-Academy und wir unterstützen Vlad mit Kaffee, Equipment und den nötigen Spirituosen.
„Es gibt wenig Zeit bis zur Meisterschaft, ich habe aber keinen Stress – davon hatte ich genug in der Ukraine“, sagt Vlad. Er will einfach sein Bestes geben. „Ich brauche ein bisschen Zeit zum üben.“ Sein Ziel ist das Erreichen des Finals, denn das blieb ihm 2019 in Berlin verwehrt. Damals wurde Nicole 5. und Vlad belegte den 7. Platz. „Wenn du nationaler Champion wirst, hast du eine Verantwortung für dein Land“, sagt Vlad. „Wenn ich mich mit Drinks und dem Wettbewerb beschäftige, fühle ich mich wie in meinem alten Leben.“ Wie es nach dem Wettbewerb in Mailand weiter geht, das weiß Vlad noch nicht. Er will zurück in die Ukraine, zurück zu Familie und Freunden.

Charity-Event in den Hackeschen Höfen

Um dem jungen Coffee Professional zu unterstützen, veranstalten wir in der Röststätte demnächst ein Charity-Event. Details werden bald über unsere Social Media Kanäle bekanntgegeben.
written by

Christopher Braemer

Christopher ist gelernter Journalist und arbeitet im Marketing von Röststätte Berlin. Für den Blog schreibt er über Kaffee aus aller Welt, aber auch über Wirtschaft, Politik oder Nachhaltigkeit. Wenn ihr Fragen oder Anregungen habt, schreibt uns gern eine Nachricht.

Fotos: Valeryia Kazlianka, Vladyslav Demonenko, Phil Semelink
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